Zu Gast in der eigenen Stadt! Am 8. Juli waren Inklupreneur und die Hilfswerft Mitveranstalter eines ungewöhnlichen Events: Gemeinsam mit 30 Gästen erkundeten wir anhand verschiedener Stationen das inklusive „Miteinander“ in Bremen und diskutierten über Inklusion in der Berufswelt. Mit dabei: unsere Inklupreneur Mentorin Amy Zayed als Moderatorin. Welche besonderen Persönlichkeiten und Orte uns auf der KLUB REISE #17 >Miteinander< inspiriert haben, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Clubreisen… klingt wie Pauschalurlaub im Strandhotel?
Tatsächlich verbirgt sich hinter unserer KLUB REISE etwas anderes, als man zunächst erwartet. Ins Leben gerufen wurde das Veranstaltungsformat vom KLUB DIALOG e.V. in Bremen: ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Menschen in Bremen zu vernetzen – und mit besonderen Ideen zu inspirieren. Für die KLUB REISEN lädt die Initiative bis zu 40 Neugierige ein, um sie zu spannenden Arbeitsplätzen oder innovativen Projekten in Bremen und Umgebung zu bringen. Das Besondere: Die tatsächlichen Ausflugsziele und das Reisegefährt enthüllt der KLUB erst während der Veranstaltungen. Das einzige, was unsere Reisegäste vor dem Event wussten, war: Es sollte um das >Miteinander< gehen.
Station 1: „Jeder kann tanzen“ oder „Liebe in Anarchie“
Treffpunkt unserer KLUB REISE war die etage ° Tanz und Bewegung – ein Ort, an dem Besucher:innen verschiedene Methoden des Bewegungstrainings erfahren können. Gründerin Eva Raquete begrüßte die Reisegäste gemeinsam mit unserer Moderatorin Amy Zayed. Eva findet es ganz selbstverständlich, ihren Bewegungsraum für alle zu öffnen: Mit technischen Mitteln oder Assistenzen versucht sie, die Barrieren für Menschen mit Behinderungen abzubauen, sodass jeder bei ihr tanzen kann.
Doch trotz ihrer Bemühungen ist Eva noch nicht zufrieden. Sie lädt Menschen mit Behinderungen zu verschiedenen Kursen ein, versucht auch eine inklusive Stelle in der °etage zu besetzen. Aber irgendwie kommen die Menschen nicht. Amy, die selbst Kulturjournalistin ist und eine Sehbehinderung hat, kennt das Problem. „Kultur ist für viele Menschen mit Behinderung leider ein Privileg“, erzählt sie im Interview mit Eva, „Einige von ihnen denken gar nicht erst daran, in Kulturbetrieben zu arbeiten oder an Bewegungskursen teilzunehmen. Der Schlüssel ist, die Community kennenzulernen und immer wieder offensiv einzuladen.“
Bang Bang, my baby shot me down!
Wie erfolgreich und bewegend die Arbeit von „mixabled companies“ sein kann, zeigt uns im Anschluss die tanzbar_bremen. Tanzpädagogin Corinna Mindt, Workshopleiter Oskar Spatz und Audiodeskripteur Daniel Riedel präsentieren uns einen Ausschnitt aus ihrer aktuellen Produktion „Bonny und Clyde“. Die Performance, die wir zu sehen oder von Daniel zu hören bekommen, ist eine Hommage an den Kampf von Liebenden: Bonny und Clyde tragen mit ihren Bewegungen einen Machtkampf aus, übertragen sexuelle Spannung, liegen sich bis zum Tod in den Armen.
Station 2: Ein fahrender Diskussionsraum
Wir sind begeistert über die Intensität der Performance und auch in unserer Reisegruppe steigt die Spannung: Wo und wie wird es weitergehen? Nach einem kurzen Spaziergang enthüllen wir das Geheimnis: Gemeinsam fahren wir mit einer Privattram der bsag quer durch Bremen! Auf der Fahrt kommen wir ins Gespräch, greifen zu leckeren Erfrischungen und lernen inklusive Initiativen aus der Umgebung kennen.
Amy führt Interviews über die Tramlautsprecher und ist nicht verlegen, die Arbeit ihrer Gäste kritisch zu hinterfragen. Mit Andrea Gahl und Sina Wildmann vom Berufsbildungswerk Bremen führt sie das erste Gespräch. Im Berufsbildungswerk versteht man eine gute Ausbildung und sozialpädagogische Unterstützung als Schlüssel zur Teilhabe für junge Menschen mit Behinderungen. Etwa 5000 Azubis hat die Einrichtung seit der Gründung zu ihrem Berufsabschluss begleitet. Aber Andrea und Sina wollen mehr: Das Berufsbildungswerk soll zu einem fortschrittlichen Bildungscampus werden, an dem Studierende und Lehrende anderer Universitäten genauso wie externe Unternehmen präsent sind.
Unser dritter Interviewgast Katrin Schinkel leitet das inklusive Service- und Buchungscenter des Deutschen Jugenherbergswerks in Bremen. Hier sitzen mehr als zwei Dutzend Jugendherbergen – oder besser gesagt ihre Telefone – gemeinsam an einem Tisch. Die Reservierungen oder Servicefragen werden von Menschen mit und ohne Behinderungen kompetent beantwortet. Katrin erzählt, wie sie gemeinsam mit ihrem Team immer wieder Lösungen findet, um Hürden abzubauen und den Arbeitsalltag zu verbessern.
Im Gespräch: Wie die Idee zu Inklupreneur entstand
Auch unser Inklupreneur-Projektleiter Nils Dreyer stellt sich Amys Fragen. Im Interview berichtet er, wie eine persönliche Erfahrung den Weg zum Inklupreneur-Projekt ebnete: „Bevor ich Geschäftsführer der Hilfswerft gGmbH wurde, habe ich eine Content-Marketing-Agentur gegründet.“, erzählt er uns, „Dafür suchte ich in der Anfangsphase einen Software-Entwickler. Es stellte sich heraus, das der Bewerber, den wir für die Stelle am geeignetsten hielten, zufällig auch eine Behinderung hatte. Wir haben ihn dann an Board geholt und uns von Beginn an auf seine Bedürfnisse eingestellt. Das war eine Erfolgsgeschichte. Und für jeden anderen Mitarbeiter, der nach ihm kam, waren bestimmte Standards wie Barrierearmut oder ein offenes Arbeitsumfeld einfach gesetzt. Später haben wir uns gefragt: Was wäre, wenn auch andere Startups sich schon in der Anfangsphase auf Menschen mit Behinderungen einstellen – und gleich die richtigen Strukturen schaffen?“
Station 3: Ein Netzwerkevent im Dunkeln?!
Die Endstation unserer Privattram ist das Wissenschaftsmuseum Universum Bremen. Hier wollen wir Fragen provozieren, Bekanntes neu ergründen, uns mit vier statt fünf Sinnen noch besser kennenlernen. Iris Ohlendorf führt uns ein in die Arbeit des Universums und bereitet uns im Interview mit Amy auf eine Welt ohne Licht vor: Weinexpertin Diana Rohrbach erwartet uns mit einer zweistündigen Weinverkostung im Dunkeln! Die drei Tischbetreuer:innen Hannelore Sommer, Werner Sommer und Martina Reicksmann aus dem Universum werden uns in dieser besonderen Umgebung begleiten und stehen für Gespräche zur Verfügung. Sie alle leben mit einer Sehbehinderung und kennen jeden Winkel des dunklen Verkostungsraums.
Der Eintritt in die Dunkelheit führt durch mehrere schwarze Vorhänge: Wir fassen uns an den Schultern und werden von unseren Tischbetreuer:innen an unsere Plätze geführt. Hier ertasten wir unsere Umgebung, fühlen nach dem Brotkorb, versuchen uns Wasser einzuschenken, lauschen, wer neben uns sitzt – für viele eine ungewohnte Situation. Doch im Gespräch mit den Tischbetreuer:innen und Mitreisenden überwinden wir unsere Nervosität.
Wir erhalten drei ausgesuchte Weinproben und versuchen ihnen nur mit der Zunge auf die Spur zu kommen: Welche Farbe hat der Wein und um welche Sorte könnte es sich handeln? Diana Rohrbach löst die Überraschungen nach und nach auf und gibt Auskunft über die verschiedenen Reben. Wir öffnen uns mit jeder Probe mehr der besonderen Erfahrung und unseren Mitreisenden. Gemeinsam lassen wir den Abend ausklingen. Für uns ist klar: Netzwerken im Dunkeln ist ein Erfolgsrezept!
Wir möchten uns ganz herzlich bei unseren Kooperationspartnern, dem KLUB DIALOG und der Bremer Straßenbahn AG für die Zusammenarbeit im Rahmen der KLUB REISE bedanken! Außerdem gilt unser Dank den Interviewpatrner:innen und Initiativen, die unser Event bereichert haben. Wir freuen uns, wenn wir eure Arbeit sichtbarer machen und einen Beitrag zur Bremer Diskussion um Inklusion in der Arbeitswelt leisten konnten.
Bilder: Jörg Sarbach
Reisebericht: Carolin Paar
Reiseleitung: KLUB DIALOG e.V.
In Kooperation mit: Bremer Straßenbahn AG