In unserer Serie “Was Inklusion für mich bedeutet“ betrachten wir das Thema Inklusion aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Du willst auch deine Perspektive schildern? Dann melde dich bei Marlene: marlene[at]inklupreneur.de
Heute berichtet Marlene selbst über ihre Berührungspunkte mit dem Thema Inklusion.
Ich habe in meinem Leben bis zu meiner Mitarbeit im Inkupreneur-Projekt ehrlich gesagt nie bewusst über das Thema Inklusion nachgedacht. Mir sind zwar immer mal wieder Menschen mit Behinderung in meinem Leben begegnet, aber ich hatte nie das Gefühl, dass sie so richtig dazu gehören, sondern immer etwas besonderes waren.
Kaum Berührungspunkte in Kindheit und Jugend
Vom Kindergarten bis zum Ende meiner Schulzeit hatte ich keine Menschen in meinem direkten täglichen Umfeld, die mit einer Beeinträchtigung leben. Eine Weile war mal eine Klassenkameradin auf einen Rollstuhl angewiesen, weil sie sich schwerer verletzt hatte. Als unsere Klasse dann Unterricht in den Fach-Räumen hatte, die häufig in höheren Stockwerken anderer Gebäude lagen, konnte Sie in dieser Zeit nicht am Unterricht teilnehmen. Was wir als Jugendliche witzig und als Vorteil empfanden – Freistunden, einfach so – ist für die Menschen, die dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen sind, wohl der Horror. Nicht teilhaben zu können an Bildung, nur aus dem Grund, dass es Barrieren gibt, um einen bestimmten Raum zu erreichen, stelle ich mir schlimm vor.
Gebärdensprache? Unbekannt. Mittelfinger? Nicht.
Als ich als Jugendliche mit meiner Familie im Urlaub in Italien war, machten wir an einem Tag wegen Regen einen Ausflug in ein Einkaufszentrum. Ich stand oben auf der Galerie und schaute nach unten in die Menge. Da fielen mit zwei Mädchen auf, die sich in Gebärdensprache unterhielten. Ich fand das so spannend und faszinierend, dass ich meinen Blick nicht von ihnen lösen konnte und sie regelrecht mit meinen Blicken verfolgte. Als Antwort bekam ich dann einen Mittelfinger von einer der beiden. Sie hatte es offensichtlich satt angestarrt zu werden – wahrscheinlich nicht nur von mir. Ich habe mich schlecht gefühlt und wollte mich am liebsten erklären und entschuldigen, aber es ging nicht, wir sprachen verschiedene Sprachen. Ich meinte es ja nicht böse, aber ich hätte nicht so gestarrt, wenn ich in meinem Leben zuvor schon mehr Kontakt zur Gebärdensprache gehabt hätte. Ich wusste es eben nicht besser.
Im Studium wird‘s langsam bunter
Im Studium hatte ich dann das erste mal ein diverseres Umfeld. Zu Beginn wusste ich nicht immer, wie ich mit meinen Kommiliton:innen umgehen sollte, die eine Behinderung haben. Ich war innerlich gehemmt und sehr unsicher, wie ich mich in ihrer Gegenwart verhalten sollte. Mit der Zeit merkte ich: Ganz normal, wie mit allen anderen darf mein Umgang sein. Nicht anders. Dass ich diese Erfahrung erst so spät in meinem Leben machen konnte, finde ich schade. Ich wünsche mir, dass die Hemmschwelle von Anfang an gar nicht da gewesen wäre und ich von klein auf gelernt hätte, dass Menschen mit Behinderung nichts komisches oder außergewöhnliches sind, sondern ganz normale Menschen, mit denen man auch ganz normal umgehen kann.
Inklusion bedeutet: Menschen mit Behinderung in der Mitte der Gesellschaft
Inklusion bedeutet für mich Barrieren abzubauen und Menschen mit Behinderung in die Mitte der Gesellschaft zu holen, sie sichtbar zu machen und das von Anfang an. Sie sollten überall mehr vertreten sein, in der Kita, in der Schule, in den Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben, an den Universitäten und Hochschulen in der Politik, in Vereinen, in der Disco, als nettes Verkaufsperonal meines Lieblingsladens. Damit wir lernen, dass es eigentlich gar kein Problem mit Inklusion gibt.
Die Arbeitswelt ist ein großer und wichtiger Teil unserer Gesellschaft, investieren doch die meisten Menschen hier den Großteil ihrer Lebenszeit. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir mit unserem Inklupreneur-Programm einen Anstoß liefern, um Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt zu integrieren. Lass uns diverse Teams schaffen, die satt ungewöhnlich als alltäglich wahrgenommen werden und somit ein neues Bild von unserer Gesellschaft skizzieren, in der wirklich ALLE herzlich willkommen sind und akzeptiert werden.
Falls du auch deine Erfahrungen mit Inklusion auf unserem Blog schildern möchtest, melde dich gerne direkt bei mir!
Marlene Fragge
marlene [at] inklupreneur.de